Das neue E-Flaggschiff
Beeindruckendes Fahrverhalten, große Reichweite und jede Menge Platz – der Volvo EX90 ist ein elektrisch angetriebenes SUV, das den Premium-Anspruch in fast allen Bereichen erfüllt.
Von Wolfgang Schäffer
Als Nachfolger des XC90 ist der EX90 jetzt nach EX30, EX40 und EC40 Volvos viertes E-Modell. Gebaut wird das SUV im US-Bundesstaat South Carolina. Auf den amerikanischen Highways wirkt das Flaggschiff der Marke alles andere als überdimensioniert. Für europäische Verhältnisse aber ist der Wagen mit einer Länge von 5,04 Metern, einer Breite mit Außenspiegeln von 2,11 Metern und einer Höhe von 1,74 Metern schon ein ziemliches Kaliber.
Groß, schwer – aber mit Leichtigkeit
Am Steuer des EX90 geraten die staatlichen Außenmaße ebenso wie das Gewicht von 2,8 Tonnen allerdings ganz schnell in Vergessenheit. Es ist schon erstaunlich mit welcher Leichtigkeit sich der Wagen, in diesem Fall der Twin Motor AWD, bewegen lässt.
Drei Antriebsversionen
Der Twin Motor AWD ist eine von drei unterschiedlichen Antriebsversion des EX90, der generell mit 400-Volt-Technologie ausgerüstet ist. Einstieg ist der Single Motor mit Hinterradantrieb, bei dem ein Permanentmagnet-Synchronmotor mit 205 kW (279 PS) Leistung und 490 Newtonmetern (Nm) Drehmoment verbaut ist. Die Lithium-Ionen Batterie hat eine Nettokapazität von 101 kWh. Bei einem WLTP-Verbrauch von 19,9 kWh soll eine Reichweite von 580 Kilometern möglich sein. Der Sprint aus dem Stand auf Tempo 100 erfolgt in 8,4 Sekunden. An der Spitze des Angebots steht der Twin Motor Performance AWD mit einem 180 kW (245 PS) starken Permanentmagnet-Synchronmotord 420 Nm vorn sowie einem Permanentmagnet-Elektromotor hinten mit 200 kW (272 PS) und 490 Nm hinten.
Akkus mit einer Kapazität 101 oder 107 kWh
Der Akku hat hier eine Nettokapazität von 107 kWh, was bei einemn WLTP-Verbrauch von 22 kW zu einer Reichweite von 570 Kilometern reichen soll. Der Standartsprint gelingt in 4,9 Sekunden, die Höchstgeschwindigkeit liegt wie auch bei den anderen Varianten bei 180 Kilometern pro Stunde. Geladen werden kann der Akku an der Schnellladesäule mit bis zu 250 kW (die kleinere Batterie mit bis zu 235 kW) und mit elf kW über den On-Board-Lader an der Wallbox. Beim DC-Laden dauert es 30 Minuten um den Akku von zehn auf 80 Prozent mit neuer Energie zu versorgen. An der Wallbox muss mit zehn Stunden kalkuliert werden.
Verbrauch hält sich in Grenzen
Wir waren auf unserer Testfahrt mit dem Twin Motor AWD unterwegs. Dem hat Volvo einen Permanentmagnet-Synchronmotor vorn mit 173 kW (235 PS) und 420 Nm sowie einen Permanentmagnet-Elektromotor hinten mit 127 kW (173 PS) und 350 Nm verpasst. Verbrauch und Reichweite sind den Angaben zufolge mit dem Spitzenmodell identisch. In der Praxis zeigt sich, dass zumindest auf den stark befahrenen US-Highways mit vielen Tempolimits sowie im dichten Verkehrsgefühl der Citys die Realverbräuche ganz nahe an die WLTP-Werte kommen. Wir haben auf unseren insgesamt knapp 300 Kilometern einen Durchschnittswert von 22,1 kWh erfahren. Das ist für ein Auto dieser Größenordnung und Gewichtsklasse absolut beachtlich. Antritt und Durchzug sind naturgemäß bei einem E-Fahrzeug einfach bestens.
Beste Fahrwerksabstimmung
Dazu kommt beim EX90 eine Fahrwerksabstimmung, die keinerlei Kritik aufkommen lässt. Ob schlechte Straßen, Querrillen oder Bodenwellen – das SUV passiert alles souverän. Hilfreich dabei ist die adaptive Luftfederung, die optional für die Ausstattungslinien Plus und Ultra angeboten wird und im von uns gefahrenen Wagen verbaut war. Die sportliche Fahrt auf kurvenreicher Bergpassage meistert das Schwergewicht mit seiner hinterradbetonten Abstimmung des Allradantriebs ebenfalls bravourös. Die Karosserie zeigt keinerlei Wankneigung, zudem folgt der Wagen präzise jeder Lenkanweisung, bleibt exakt in der vorgegebenen Spur. Wer mag – und den höheren Verbauch dann akzeptiert – kann es also auch mal so richtig fliegen lassen.
Innenraum bietet jede Menge Platz
Die Passagiere reisen dabei auf alle Fälle jederzeit bequem auf gut gepolsterten Sitzen und dürfen sich über ein riesiges Platzangebot freuen. Das gilt selbst dann, wenn der EX90 als Siebensitzer genutzt wird. Da die Sitze der zweiten Reihe einzeln in der Länge zu verschieben sind, reicht das Platzangebot dahinter bei Bedarf auch für zwei Personen mit einer Körpergröße von 1,84 Metern aus – auch, weil die Füße unter das davor liegende Gestühl geschoben werden können. Natürlich sind Kopf- und Beinfreiheit ganz hinten eingeschränkt, so dass die längere Reise so nicht zu empfehlen ist. Und die dritte Reihe ist für Kinder auch leichter zu erreichen.
Alternative Bezugsstoffe
In Reihe zwei aber ist das Raumangebot ebenso mehr als üppig wie auf den beiden vorderen Plätzen. Sämtliche Sitzmöbel sind statt mit Leder mit dem von Volvo entwickelten und sehr angenehmen Alternativstoff Nordico bezogen. Auch ansonsten kommen nach Volvo-Angaben überwiegend nachhaltige Materialien zum Einsatz. Das gilt für die Türinnenverkleidungen und den Armaturenträger.
Fast nur digitale Bedienfunktionen
Der wird dominiert von einem 14,5 Zoll großen, neuen rahmenlosen Touchscreen. Darüber können unter anderem Navigation, Android-Infotainment, Klimatisierung, Fahrzeug-Apps, Parkkameras und weitere Assistenzfunktionen gesteuert werden. Ausschließlich dort. Und damit sind wir auch beim einzigen echten Kritikpunkt am EX90. Denn ebenfalls nur über den Screen lassen sich in mehreren Schritten die Bedienfunktionen für das Verstellen der Außenspiegel und des Lenkrads aktivieren. Die eigentliche Einstellung erfolgt dann über Knöpfe am Lenkrad. Während der Fahrt ist das so gut wie nicht zu machen. Erstens ist es mühsam, zum anderen ist die Ablenkung vom Straßenverkehr in dieser Zeit groß und damit gefahrlich.
Lautstärkeregler extra
Über einen großen Bedienknopf auf der Mittelkonsole lässt sich aber die Lautstärke des Infotainmentsystems manuell regeln. Lobenswert ebenfalls, dass anders als beim EX30 direkt hinter dem Steuer eine acht Zoll große freistehende digitale Instrumentenanzeige platziert ist.Wichtige Fahrinformationen liegen so im direkten Sichtfeld von Frau oder Mann am Lenkrad. Zudem werden wichtige Infos per Head-up-Display (Serie für Plus und Ultra) im direkten Sichtfeld des Fahrers auf der Windschutzscheibe angezeigt. Das hochauflösende Display ist viermal größer als das des Volvo XC90.
Ladevolumen von bis zu 1.955 Liter
Von ganz vorne noch einmal nach ganz hinten und damit zum Kofferraum. Hinter der dritten Sitzreihe stehen noch 324 Liter zur Verfügung. Hinter der zweiten Reihe sind es 669 Liter. Werden alle Lehnen vorgeklappt, entsteht eine komplett ebene Fläche und das Ladevolumen steigt auf maximal 1.955 Liter. Höchstens 611 Kilogramm dürfen zugeladen werden. Wird der EX90 als Zugmaschine eingesetzt, dürfen 2,2 Tonnen bei den Allradlern und 1,2 Tonnen beim Basismodell an den Haken genommen werden. Die Stützlast von 100 Kilogramm erlaubt die Mitnahme von drei Fahrrädern oder zwei E-Bikes. Die Dachlast beträgt ebenfalls 100 Kilogramm.
Kurze Überhänge und glatte Flanken
Ins Auge fallen beim Blick auf den Volvo EX90, der auf 20 oder 21 Zoll großen Räder rollt, die dank des Radstands von 2,99 Metern kurzen Überhänge. Die weich gezeichnete Front mit der typischen Thors-Hammer-Lichtgrafik sowie dem geschlossenen Kühlergrill, die glatten Flanken und das steil abfallende Heck sind nicht nur optisch gelungen, sondern tragen zudem zu einer guten Aerodynamik bei, Der cW-Wert beträgt 0,29.
Lidar-Sensor auf dem Dach
Auffällig aber vor allem auch der so genannte Lidar-Sensor (Light Detection and Ranging), der mittig oberhalb der Frontscheibe in das Dach integriert ist. „Diese Technik nutzt Licht in Form eines Impulslasers, um Entfernungen mit hoher Präzision und Genauigkeit zu messen. Dadurch lassen sich Gefahren früher erkennen, was einen großen Unterschied für die Sicherheit macht. Untersuchungen zeigen, dass sich mit Lidar-Technik an Bord die Zahl der Unfälle mit Todesopfern und Schwerverletzten um bis zu 20 Prozent senken lassen, während Kollisionen insgesamt um bis zu neun Prozent verringert werden können“, heißt es bei Volvo.
Unsichtbares Schutzschild
Das unsichtbare Schutzschild deckt den Angaben zufolge demzufolge aber nicht nur die äußere Umgebung des Fahrzeugs ab. „Weil viele Unfälle auf Fehlverhalten oder Unaufmerksamkeit des Fahrers zurückzuführen sind, können spezielle Sensoren und Kameras – unterstützt von eigenentwickelten Algorithmen – registrieren und messen, mit welcher Konzentration der Fahrer auf die Straße schaut. Dadurch erkennt der Wagen, wenn der Fahrer abgelenkt, müde oder unaufmerksam ist, und zwar mit einer Genauigkeit, wie sie bisher in einem Volvo nicht möglich war“, so ein Sprecher.
Derzeit nur Datensammler
Derzeit sammelt der Lidar-Sensor allerdings lediglich Daten, ist also noch nicht sicherheitsrelevant aktiv. Spätestens im Frühjahr erfolgt über ein Softwareupdate Over-the-Air die Aktivierung des Sensors. Selbstverständliche ist der EX90 mit einer Vielzahl von Assistenzsystemen ausgestattet und die Navigation rechnet bei der Reiseplanung die notwendigen Ladepausen ein. Das gemeinsam mit Google entwickelte Infotainmentsystem umfasst den Karten- und Navigationsdienst Google Maps, die Spracherkennung Google Assistant, Apps und Services von Drittanbietern sowie speziell für Elektrofahrzeuge entwickelte Funktionen.
Einstiegspreisen 83.700 Euro
Der Einstieg in die Welt des Volvo EX90 kostet 83.700 Euro. Der Twin Motor AWD startet mit 91.700 Euro, für den Performace müssen mindestens 96.800 Euro investiert werden. Premium hat halt seinen Preis.