Nio, der chinesische Hersteller von Elektroautos, greift jetzt auch in Deutschland an. Erstes Fahrzeug ist der Nio ET7, der mit zwei unterschiedlichen Batteriegrößen noch in diesem Jahr an die ersten Kunden ausgeliefert werden soll.
Eines aber gleich vorweg: Zu kaufen ist der ET7 in Deutschland nicht. Nio bietet den Wagen lediglich im Leasing an. 1.198,97 Euro beträgt die Rate für den kleinen Akku (75 kWh) bei einer Vertragslaufzeit von 36 Monaten. 1.311,21 Euro sind es für die größere Batterie (100 kWh). Aber auch Laufzeiten von lediglich vier Wochen sind möglich. Nio setzt auf größtmögliche Flexibilität, um Kunden zu gewinnen. Die können von sofort an in Deutschland, den Niederlanden, Dänemark und Schweden bestellen. Mitte Oktober sollen die Auslieferungen in Deutschland beginnen. Nio kündigt in dem Zusammenhang an, dass Vorbestellungen für den Nio ET5, eine mittelgroße Elektro-Limousine und den Nio EL7, ein Elektro-SUV, ebenso jetzt möglich sind. Die Auslieferung dieser Modelle ist für Januar beziehungsweise März 2023 vorgesehen.
Und im kommenden Jahr soll dann auch eine dritte Akkugröße mit einer Kapazität von 150 kWh angeboten werden. Die oftmals angekündigten 1.000 Kilometer elektrische Reichweite schafft der Nio NT7 allerdings noch nicht. Mit der großen Batterie, die eine Kapazität von 100 kWh hat, sind es aber mehr als 500 Kilometer, die mit der sportlich gezeichneten Limousine aus China ohne Ladestopp gefahren werden können. Das haben wir bei den ersten Kilometern mit dem 5,10 Meter langen, 1,99 Meter breiten und 1,51 Meter hohen Viertürer trotz einiger wirklich richtig schnell absolvierten Abschnitte festgestellt. Der Verbrauch von 19,6 kWh nach mehr als 250 Kilometern kann sich angesichts dieser Fahrweise mehr als sehen lassen.
Damit sind wir bei den technischen Daten des ET7. Angetrieben wird die Limousine über beide Achsen. Vorne kommt ein E-Motor mit 180 kW (245 PS), hinten mit 300 kW (408 PS) zum Einsatz. Die maximale Leistung von 480 kW und das maximale Drehmoment von 850 Newtonmetern ermöglicht, den Sprint aus dem Stand auf Tempo 100 in 3,8 Sekunden zu absolvieren. In der Spitze wird bei 200 Kilometern pro Stunde abgeregelt. Die Batterien ermöglichen laut WLTP-Norm Reichweiten bis zu 385 beziehungsweise 505 Kilometern, in der Stadt zwischen 445 und 580 Kilometern. Das Gewicht des Nio ET7 beträgt je nach Akku 2.359 beziehungsweise 2.379 Kilogramm.
Während die Reichweiten durchaus überzeugen, sind Ladeleistung und die damit verbundenen Ladezeiten für ein Fahrzeug im Premiumbereich eher schwach. An einem Anschluss mit Wechselstrom (AC) kann lediglich mit elf kW geladen werden, das Schnellladen (DC) ist mit 130 kW möglich. Um den kleinen Akku damit von zehn auf 80 Prozent mit neuer Energie zu versorgen dauert es laut Nio 30 Minuten, bei der großen Batterie sind es 40 Minuten. Das sind keine wirklich guten Werte.
Auf der anderen Seite will und kann Nio aber mit dem vollautomatischen Austausch der Batterie an einer so genannten Power Swap Station (PSS) punkten. Innerhalb von etwa fünf Minuten wird dort die bestehende Batterie des Fahrzeugs gegen eine voll aufgeladene Batterie ausgetauscht. Dabei wird im Wagen über den Touchscreen der Tauschvorgang aktiviert. Der Nio ET7 fährt dann selbstständig, also ohne Fahrer oder Fahrerin am Steuer, in die Station etwa in der Größe einer Doppelgarage, hält dort exakt an der richtigen Stelle. Dann werden die Halteschrauben gelöst, der Akku verschwindet im Boden, die neue Batterie fährt hoch und wird verschraubt. Fertig. Der komplette Vorgang erfolgt automatisch ohne jeglichen manuellen Eingriff. Für jeden Wechsel fällt eine Gebühr von zehn Euro an. Dazu kommt der Betrag, der sich aufgrund der Differenz der Energie in den beiden Akkus ergibt. Bei jedem Tausch werden der Zustand der Batterie und des elektrischen Systems geprüft, um sicherzustellen, dass sowohl das Auto als auch die Batterie in optimalem Zustand sind, betont der Hersteller.
Das lokale Strom-Verteilnetz wird beim Laden der gelagerten Akkus übrigens nur relativ wenig belastet, das gerade einmal eine Anschlussleistung von 550 kW notwendig ist. Die erste von 120 geplanten Stationen bis Ende 2023 in Deutschland wurde gerade an der A8 in Zusmarshausen eröffnet. Die ist später für etwa 100 Wechsel am Tag ausgelegt. Bis zu 13 Batterien können mit 40 bis 80 kW batterieschonend geladen werden. Ein Standtort in Berlin-Spandau folgt in Kürze. Vorerst aber müssen Nio-Kunden noch aufgrund der fehlenden Swap-Stationen überwiegend an die Ladesäule. Und da sind die Standzeiten recht lang.
Das Warten im Wagen aber ist wie das Fahren überaus komfortabel. Platz satt gibt es für die Passagier aufgrund des Radstands von 3,06 Metern. Das gilt vor allem für die Rückbank mit riesiger Bein- und trotz des Coupécharakters guter Kopffreiheit. Die Sitze, vorne 14fach elektrisch verstellbar, auch hinten beheizbar, zu belüften und mit Massagefunktion, sind gut gepolstert, so dass auch die lange Reise oder eben das Warten bequem absolviert werden kann. Die eingesetzten Materialien wirken ebenso wie die Verarbeitung hochwertig.
Beim extrem clean gestalteten Instrumententräger zeigt der Nio seine komplette Ausrichtung auf die Digitalisierung. Schalter oder Knöpfe gibt es nicht. Die Anzeigen werden digital auf einem 10,2 Zoll großen Display gezeigt. Wie ein Tablet ist ein 12,8 großer Touchscreen direkt am Armaturenträger am Ende der Mittelkonsole platziert, ist dort für Fahrer und Beifahrer gut sicht- und bedienbar. Das ist wichtig, denn dem Nio ET7 muss so gut wie alles über den Touchscreen oder per Sprachbefehl vermittelt werden. Nicht einmal die Höhen- oder Längsverstellung des Lenkrads lässt sich einfach manuell erledigen. Lediglich die Fensterheber, die Warnblinkanlage, die automatische Ver- und Entriegelung der Türen sowie die Wahl der Fahrmodi sind per Knopfdruck zu bedienen. Zudem gibt es am Lenkrad Bedientasten. Unterschiedliche Rekuperationsstufen hingegen bietet der ET7 nicht. Das regelt der Nio selbstständig. Alles ist letztlich auf die Zukunft des automatisierten Fahrens ausgerichtet. Das ist auch an den elf hochauflösenden Kameras plus Sensoren – auffällig erkennbar am oberen Rand der Frontscheibe -, fünf Radarsystemen sowie einem Hochleistungsrechner abzulesen. Die Chinesen haben so etwas wie einen Supercomputer auf Rädern entwickelt.
Das zeigt sich letztlich auch bei den Fahrmodi. Selten haben wir eine derartig breite Spreizung zwischen den unterschiedlichen Einstellungen erfahren. Beim Wechsel von Komfort auf Sport oder gar Sport+ geht eine extrem kraftvolle Veränderung durchs Auto. Lenkung, Federung und Dämpfung werden ebenso wie das Ansprechverhalten des Antriebs massiv direkter. Es kommt fast so etwas wie ein Sportwagenfeeling auf. Gleichwohl behält der Nio ET7 auch dann noch die im Komfort-Modus zu spürenden Qualitäten. Dank der Luftfederung werden Stöße gefiltert. Die Limousine liegt satt auf der Straße und lässt sich bei flotter Fahrt locker um die Ecken steuern.
Locker und witzig indessen haben die IT-Spezialisten die virtuelle Assistentin Nomi ausgestattet. Sie verarbeitet so gut wie alle Arten von Sprachbefehlen und ist mit künstlicher Intelligenz ausgestattet – lernt also ständig dazu. Optisch liegt Nomi als aufgesetzte Kugel mit zwei Augen auf dem Armaturenbrett. Spielt Musik, tauchen Instrumente auf, ist der Beifahrer nicht angeschnallt, dreht sich die Kugel in die Richtung und macht ihn aufmerksam, wird das zulässige Tempo überschritten, warnt Nomi. Nur einige von vielen Beispielen, mit denen die virtuelle Assistentin das Fahren sicherer macht und auflockert.
Die eingeschränkte Sicht durch den Rückspiegel nach hinten indessen ist ein kleines Manko. Da sich die Ablage hinter den hinteren Lehnen nach oben zieht und das Dach nach unten neigt, bleibt nur eine recht kleine Fensterfläche zur Durchsicht. Nicht üppig sind zudem das Ladeabteil (offizielle Angaben über das Volumen gibt es nicht) und die Ladeöffnung der Limousine. Da sich die hinteren Lehnen auch nicht vorklappen lassen, ist auch eine Vergrößerung des Kofferraums nicht möglich.
Optisch haben die Designer dem Nio ET7 eine sportlich-elegante Linienführung mit einem Luftwiderstandsbeiwert von 0,208 verpasst. Die Flanken der coupéartig gezeichneten Fließhecklimousine sind glattflächig, die Türgriffe fahren lediglich beim Ein- oder Aussteigen aus, die Fenster sind rahmenlos. Alles wirkt ähnlich clean wie der Innenraum. LED-Scheinwerfer und -Rückleuchten zählen zur umfangreichen Serienausstattung. In der Hinsicht hält sich Nio nicht die Spur zurück. Ob elektrische bedienbare Heckklappe, Panoramadach, Akustikverglasung, Wärmepumpe, eine hochwertiges Soundsystem, vier USB-Anschlüsse, Navigation oder eine Vielzahl von Fahrerassistenz- und Sicherheitssystemen – der ET7 bringt alles mit. Und wer mag, kann auch noch eine Anhängerkupplung ordern. An der kann eine Last von 2000 Kilogramm gezogen werden.
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